Elektrisierende Perspektiven

Elektromobilität ist der Antrieb der Zukunft, davon ist der Experte Prof. Dr. Tobias Schmidt überzeugt. Am Globalance-Event im Zürcher Polestar Space belegte er mit eindrücklichen Zahlen, warum diese Dynamik nicht mehr aufzuhalten ist - und trotzdem noch immer unterschätzt wird.

Die Zukunft der Elektromobilität beinhaltet viele verschiedene Themen: Von der Frage der Rohstoffe über Infrastruktur bis hin zu Politik und Ökonomie. Sie erfordert nicht nur neue «Skillsets» in der Industrie, sondern auch ein gesellschaftliches Umdenken. Beim gemeinsamen Event von Polestar und der Schweizer Privatbank Globalance ging es darum, etwas Klarheit ins Thema Elektromobilität zu bringen.

Welche Potenziale und Herausforderungen liegen in der Elektromobilität? Welche Rolle spielen in Zukunft synthetische Brennstoffe wie Wasserstoff? Und wer sind die Gewinner und Verlierer einer Batterie-betriebenen Zukunft?

Um uns einen globalen Überblick zu verschaffen, lud Globalance Prof. Dr. Tobias Schmidt auf die Bühne. Schmidt ist Professor für Energie- und Technologiepolitik an der ETH Zürich und Direktor des Instituts für Wissenschaft, Technologie und Politik und gilt als einer der führenden Forscher im Bereich der Energiewende im Verkehr.

Unterschätzte Dynamik

Bevor wir weit in die Zukunft blicken, lohnt es sich, die nächsten Hürden im Auge zu behalten - und das sind die Pariser Klimaziele. Um diese zu erreichen, spielt die Elektromobilität eine Schlüsselrolle. «Viele unterschätzen die Dynamik», sagt Tobias Schmidt. Zum Beispiel, wenn es um die Rolle des Verkehrs für unsere Klimaziele geht: Der Verkehrssektor ist weltweit der zweitgrösste Verursacher von CO2-Emissionen. In der Schweiz ist der Personenverkehr sogar grösster inländischer Verursacher von Treibhausgasen. 45.1 Prozent der globalen Verkehrsemissionen gehen auf das Konto der Personenwagen, weitere 29.4 Prozent auf das der Lastwagen. Es lohnt sich also, hier den Hebel anzusetzen.

Doch welche Möglichkeiten gibt es? «Zum einen natürlich die Effizienzsteigerung der Fahrzeuge. Diese ist bereits in vollem Gange, wird aber allein nicht ausreichen, um die Ziele zu erreichen», erklärt Tobias Schmidt. «Eine reine Verlagerung auf den ÖV ist in der Kürze der Zeit nicht möglich, vor allem nicht in den Ländern, in denen die Infrastruktur noch völlig fehlt. Das heisst: Wir müssen in den nächsten Jahren auf jeden Fall den Energieträger wechseln.

In Sachen Effizienz ist die Elektromobilität praktisch unschlagbar.
Tobias Schmidt, Professor für Energie- und Technologiepolitik an der ETH Zürich

Effizient. Verfügbar. Lohnend.

Die Zukunft prägen werden dabei nicht synthetische Brennstoffe wie Wasserstoff oder Methanol, sondern batterieelektrische Fahrzeuge, davon ist Schmidt gleich aus drei Gründen fest überzeugt.  

«In Sachen Effizienz ist die Elektromobilität praktisch unschlagbar». Beim Rad kommen 70 bis 80 Prozent des eingespeisten Stroms an - diese Effizienz übertrifft synthetische Kraftstoffe und klassische Verbrennungsmotoren um ein Vielfaches. «Zum anderen spielt es eine enorme Rolle, dass wir praktisch weltweit bereits eine Strominfrastruktur haben, die genutzt werden kann.» Auch wenn Ladestationen vielleicht noch nicht so weit verbreitet sind, wie wir uns das wünschen, sind die Grundlagen bereits vorhanden. Ein Wasserstoffnetz müsse dagegen erst aufgebaut werden.  Eine Zukunft für den synthetischen Kraftstoff sieht Schmidt daher allenfalls im Schiffsverkehr oder in der Luftfahrt.

Wirtschaftlich spiele die starke Kostenreduktion bei Lithium-Ionen-Batterien die entscheidende Rolle: «Vor zehn Jahren kostete eine Batteriezelle rund 500 Dollar pro KWh, heute sind wir bei 100, in China teilweise sogar bei 60». Diese Entwicklung hat dafür gesorgt, dass Elektrof über die gesamte Lebensdauer betrachtet heute günstiger sind. «In den nächsten ein bis drei Jahren werden EVs auch in der Anschaffung günstiger sein als Verbrenner, weil sich die Batteriekosten auf den Fahrzeugpreis auswirken. Das wird ein wichtiger Wendepunkt für die Elektromobilität.»

Elektrofahrzeuge sind viel einfachere Gesamtprodukte mit vielen standardisierten Komponenten als Verbrennungsmotoren. Dadurch können sie mit viel weniger Aufwand produziert und recycelt werden.
Tobias Schmidt, Professor für Energie- und Technologiepolitik an der ETH Zürich

Eine Frage der Rohstoffe?

Aber was ist mit den Kehrseiten? «Jede Entwicklung hat Nachteile, das darf man nicht leugnen», räumt Schmidt ein. Doch viele der oft diskutierten Bedenken lassen sich mit Blick auf die Zahlen relativieren. So wird oft von Seltenen Erden gesprochen, wenn es um die Verfügbarkeit von Materialien geht. «Die Materialien sind eigentlich kein Problem. Sie sind weltweit ausreichend vorhanden und lassen sich im Gegensatz zu anderen Rohstoffen sehr gut recyceln». Viele der oft diskutierten Rohstoffe spielen ausserdem eine viel kleinere Rolle als wir denken. In einer Lithium-Ionen-Batterie steckt zum Beispiel viel mehr Nickel als Lithium. «Das Problem sind eher die oft schlechten Bedingungen beim Abbau und die unsicheren Lieferketten bei der Aufbereitung der Materialien. Letzteres macht uns derzeit von China abhängig - nicht die Rohstoffe selbst.»

Auch den versteckten CO2-Ausstoss bei der Produktion lässt Schmidt nicht als Gegenargument für die Elektromobilität gelten. Eine innovativere Zellfertigung der Batterien, ein zunehmend grüner Strommix und das Recycling der Komponenten werden dafür sorgen, dass Elektrofahrzeuge ihren CO2-Fussabdruck in der Herstellung massiv reduzieren. «Ausserdem sind Elektrofahrzeuge viel einfachere Gesamtprodukte mit vielen standardisierten Komponenten als Verbrennungsmotoren. Dadurch können sie mit viel weniger Aufwand produziert und recycelt werden.»

01/03

Life Cycle als Kreislauf

Sebastian Schnyder, Head of Sales von Polestar Switzerland, erklärt, wie sich der Gastgeber Polestar für eine nachhaltigere Zukunft rüstet. Die Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe und das Recycling spielen schon heute eine wichtige Rolle im Lebenszyklus eines Polestar-Fahrzeugs. Im Innenraum werden künftig sogenannte Monomaterialien eingesetzt. Diese bestehen aus einem einzigen Grundmaterial und sind dadurch sowohl effizienter in der Herstellung als auch praktisch ohne Verluste wiederverwertbar. Auch bei den Aluminiumbauteilen kommt Recycling zum Einsatz. «Einige dieser Innovationen entwickeln wir selbst, andere mit Hilfe von Partnerschaften». Zwischen 2021 und 2023 wurden in der Produktion eines Polestar 2 so bereits drei Tonnen CO2 eingespart.

Transparenz ist bei all diesen Themen besonders wichtig, betont Schnyder. «Wir sind noch lange nicht bei netto Null, und wir sehen uns auch nicht als Heilsbringer für die Welt. Aber wenn wir mit Kreislaufwirtschaft und sozialer Verantwortung zur Lösung beitragen können, ist das ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.»

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